Robert Damms schwebende Formen und seine Ansichten zur Kunst
Das Spiel der unwirklichen Kugeln
Das Malen mit der fein zerstäubenden Air-Brush sei ebenso eine Art, Farbe auf einen Untergrund zu bringen, wie das Malen mit dem Pinsel. Auch beim Pinsel handele es sich um eine "Maschine", die diesem Zweck diene. "Und die Air-Brush ist ja nichts anderes als ein Luftpinsel". Robert Damm, der dies sagt, weiß allerdings aus Erfahrung, daß das Malen mit der Air-Brush Kritiker nachgerade provoziert, eine gewisse Schublade zu öffnen und daraus den Stempel hervorzuholen, auf dem steht: "Graphikdesign, esoterischer Schmonzes, Kitsch". Und das oft, bevor überhaupt ein einziges Bild in Augenschein genommen wurde. Unbeirrt von diesem Schatten, den seine Technik wirft, kreiert er seit Jahren aufsteigende Formen und - Kernstück seiner Symbolik - reflektierende Kugeln. Schließlich hat Damm lange genug selbst für Werbeagenturen gearbeitet, um sich ein Bild davon machen zu können, daß es dort entgegen manchem Klischee neben glatten Profis sehr wohl eine ganze Menge begnadeter Künstler gibt. "Werbung ist ja nicht automatisch Nicht-Kunst", verteidigt er das Metier. Seit 1987 arbeitet Robert Damm freischaffend. Er lebt davon; nicht üppig, aber unabhängig. Für sich selbst hat er das Problem der Abgrenzung zu der eben erwähnten Schublade mit einem gedanklichen Handstreich gelöst, der besagt: "Wenn die Kugeln auf meinen Bildern fotorealistisch wären, würde ich mich mit einer solchen Katalogisierung vielleicht abfinden. Aber sie sind es nicht. Licht und Schatten ließen sich nie derart fotografieren, wie ich sie male. Es handelt sich bei meinen Motiven also um Sinnbilder von Kugeln. Dem Unterbewußtsein fällt das auf."
Zunächst erprobt Damm die Wirkung seiner Werke an sich selbst, denn schließlich ist er der Maßstab für ihre Intensität. Licht und Schatten müssen auf den Punkt stimmen, dann bringt die Schärfe des Farbkontrastes zwischen Hintergrund und Kugel das Objekt vor seinen Augen zum Schweben. Es entsteht der Eindruck von Dreidimensionalität. Das Gegeneinandersetzen starker Farben, monochrom anmutender Flächen, in denen es aber bei näherer Betrachtung wimmelt und flirrt vor Abstufungen, verschafft den Kugeln die nötige Freiheit zu ihrem Eigenleben. Bei näherem Hinschauen kann es den Betrachter da schon sehr verblüffen, daß eine Fläche, die auf eine andere, größere aufgeklebt ist, so wirkt, als dehne sie sich als ein Farbleuchten endlos in den Hintergrund aus.
Robert Damm hat keine Hochschule besucht, die Ausübung der Kunst in diesem Sinne also nicht studiert. Gezeichnet und gemalt hat er, solange er sich erinnern kann. Er hat Bücher gelesen, Ausstellungen besucht, war mehr oder weniger sein eigener Meisterschüler. "Ich weiß sehr wohl, daß man in Deutschland eigentlich den akademischen Führerschein braucht, um als Künstler anerkannt zu sein", sagt der gebürtige Neusser. "Aber wer sich einer solchen Einstellung unterordnet, läuft auch Gefahr, daß sein Urteilsvermögen dabei verkümmert. In Wirklichkeit wird doch niemand durch die Akademie zum Künstler. Künstler gab es schon lange bevor die erste Akademie gebaut wurde. Tatsächliches Handwerk, die klassischen Techniken des Zeichnens und Malens, werden da ohnehin kaum noch gelehrt. Manchmal habe ich den Eindruck, die Akademie wird immer mehr zu einem Ort, wo hingeht, wer eingebildet werden oder auf Eingebildete Eindruck machen will." Im letzten Satz schwingt auch ein wenig Ärger mit über die Arroganz von Kunststudenten, die sich weigerten, mit Damm zusammen auszustellen, nur weil sie befürchteten, ihre Karriere könne darunter leiden.
"Diese Leute sollen doch einfach einmal solche fragwürdigen Meßlatten der Standesgemäßheit beiseite legen, sich meine Kunst anschauen und überlegen, ob sie damit etwas anfangen können oder nicht", sagt Damm, dem Anerkennung aus fachkundigen Kreisen bisher keineswegs versagt geblieben ist. Nicht ohne Stolz verweist er darauf, daß manche seiner Sammler seine kontrastgeladenen Werke gleich neben einem zarten Beuys-Aquarell oder einem stillen Heerich-Gebilde aus Karton plaziert haben - ohne daß sich bei den Betrachtern das unangenehme Gefühl rege, das eine sei der Wirkung des anderen Tod.
Robert Damm hat ein Vorbild. Dem Betrachter seiner Kugeln und aufsteigender Formen auf stark kontrastierendem Grund springt keineswegs gleich ins Auge, daß es sich dabei um Max Ernst handelt, jenen französischen Maler deutscher Herkunft, der 1919 zusammen mit Hans Arp den Kölner Dada ins Leben rief, bevor er sich 1922 in Paris dem Kreis um Andre Breton anschloß. Er zählt zu den Mitbegründern des Surrealismus und schilderte mit verfremdeten Formen aus Wirklichkeit und Phantasie Träume und Unterbewußtes. Aus Damms Mund klingt das so: "In altmeisterlicher Manier und Vollendung hat er neue Welten geschaffen, dafür bewundere ich ihn." Wie kaum ein anderer sei Max Ernst immer auf der Suche nach unkonventionellen künstlerischen Techniken gewesen - und das, abgesehen von einigen Semestern Kunstgeschichte, ebenfalls ohne akademische Legitimation. Entsprungen seien diesem Bemühen die sogenannte Dekalkomanie sowie das Tröpfeln und Spritzen der Farbe. "Auch Jackson Pollock ist hinsichtlich solch halbautomatischer Technik bei Max Ernst in die Lehre gegangen", weiß der 35jährige Düsseldorfer. Er selbst bevorzugt für seine Bilder, vornehmlich für den Hintergrund seiner Kugeln und aufsteigenden Formen, die Dekalkomanie. Sie erinnert ein wenig an jene Klecksographien des Rorschach-Testes, benannt nach einem Schweizer Psychologen, der aus den Interpretationen, die seine Probanden dazu abgaben, Schlüsse auf deren Persönlichkeitsstruktur zog.
Als künstlerische Selbstbespiegelung faßt Damm die Anwendung der auch als Abklatschtechnik bezeichneten Farbabdrücke von einem Malgrund zum anderen, deren Resultate mit einem Pinsel unmöglich zu erzielen wären, keineswegs auf - wohingegen eine psychologische Wirkung beim Betrachter, Stimmungsaufhellung nämlich, von ihm durchaus beabsichtigt ist. Abgesehen davon aber ist die Verwischung jeglicher Spuren des Entstehungsprozesses eines seiner höchsten Ziele - zugunsten einer scheinbar kaum mehr an eine Person gebundenen Perfektion. Das, was anderen Künstlern in ihren Bildern so heilig ist, stellt Damm nämlich für seine Kunst in Frage. "Ich mag keinen Duktus", sagt er. "Ich verabscheue es, an ein Bild heranzutreten und Riefen und Furchen zu entdecken, aus denen heraus sich nachvollziehen läßt, wie das Bild gemalt wurde."
Den hohen Beliebtheitsgrad solcher Arbeitsspuren in einem Bild stellt Damm nicht in Abrede. Doch verhalte es sich nicht so, daß dies alles seine faszinierende Wirkung auf Kunstliebhaber in einem nicht geringen Maße aus der vielzitierten normativen Kraft des Faktischen beziehe? "Wieso erscheint uns ein Ölbild, das nach 40 Jahren von kleinen Rissen durchzogen ist, gerade aufgrund dieser Tatsache als besonders wertvoll? Der Zerfall des Materials wird als künstlerische Qualität gewertet. Wie absurd, schließlich zerfällt ohnehin alles. Warum kommt also niemand auf die Idee zu sagen, das sei doch wohl eher eine schlampige Arbeit, die von nur geringer Kenntnis des Künstlers über die Eigenart des von ihm verwendeten Materials zeugt" fragt Damm nicht ohne die Absicht der Provokation und schiebt seine bewußt überspitzte und daher nicht minder polarisierende Antwort gleich hinterher: "Weil die Fachwelt sich dazu verstiegen hat, aus Rissen und Unebenheiten gerade das Gegenteil zu folgern, sie zu mystifizieren als Echos einer höheren Welt und ihnen als solche regelrecht zu huldigen. Weil also eine Warte, die gemäß Übereinkunft für berufen zu halten ist, verkündet, dies sei so und nicht anders zu empfinden, unternehmen die Kunstbeflissenen jede Anstrengung, um diese Empfindungen auch bei sich zu wecken." Wer in diesen Tenor blinder Ergebenheit nicht einstimmen wolle, könne sich ja gleich die Kugel geben, heiße es in Künstlerkreisen.
Robert Damm, der es offenbar nicht scheut, anzuecken, hat sich die Kugel gegeben. Nicht nur eine, sondern seine Kugeln, die im fotorealistischen Sinne ja gar keine sind. Auf der letzten Art Cologne hat ihm der Erfolg recht gegeben. Besucher wählten ihn aus der Internet-Galerie der WDR-Kulturszene neben drei anderen Künstlern zum Publikumsliebling. Sein Zentrifugion mit goldener Kugel - nüchtern, kühl und deshalb beispielhaft für seine Werke - wurde daraufhin auf eben dem Markt ausgestellt, auf dem vertreten gewesen zu sein sich auch die "im akademischen Sinne Großen" gerne rühmen.
erschienen in den Düsseldorfer Heften, 1997
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